ZUR GESCHICHTE DER REFORMIERTEN IN DER GRAFSCHAFT

Die (lutherische) Reformation wurde in der Grafschaft Bentheim 1544 eingeführt. Der Bentheimer Graf Arnold hatte die Priester der Grafschaft Bentheim zu einem Konvent aufs Schloss eingeladen, ihnen seinen evangelischen Glauben bekannt und dazu aufgefordert, künftig den Gottesdienst evangelisch zu feiern und als Grundlage das Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) zu nehmen. Das wurde — wie es heißt — von den Pastoren und vom Kirchenvolk freudig aufgenommen.

Für die Zeit vor 1544 ist wenig belegt. Einmal gibt es täuferische Bewegungen: In Gildehaus wirkt von 1530 bis 1532 Bernhard Krechting, der dann nach Münster geht, im Täuferreich des Jan van Leiden eine herausgehobene Stellung bekommt und 1536 nach der Eroberung Münsters hingerichtet wird. Täufer sind auch um 1540 in Emlichheim anzutreffen (1539 finden sogar Hinrichtungen statt). Daneben gibt es wohl schon in mehreren Gemeinden evangelische Tendenzen; bekannt sind zwei Pastoren, die bereits im evangelischen Sinne lehren: Johannes Hasenhart (Uelsen) und Johann van Loen (Hofprediger in Bentheim). Beide letztgenannten Pastoren stellen auch auf dem anfangs erwähnten Konvent die evangelische Lehre vor.

Im Jahre 1544 ist die Grafschaft also evangelisch-lutherisch, wobei auffällig ist, dass anscheinend Orte, die nicht bei der Reformation mitmachen wollten, römisch-katholisch bleiben konnten. Der Beschluß von 1544 hat praktische Konsequenzen in den Gemeinden: Pfarrstellen werden evangelisch besetzt, das Abendmahl wird mit Brot und Wein von der ganzen Gemeinde gefeiert. Von Konflikten innerhalb der Gemeinden wird nicht berichtet; der Beschluss  von 1544 scheint vor allem eine offizielle Erklärung schon vorher vorhandener Erkenntnisse gewesen zu sein.

Bis 1573 sind bis auf drei Ausnahmen alle ehemals römisch-katholischen Pfarreien evangelisch-lutherische Gemeinden geworden. Als der evangelische Graf Arnold 1553 stirbt, wird sein Nachfolger sein kirchlich eher distanzierter Sohn Everwin III.; er stirbt schon 1562, 26-jährig. An Stelle seines Sohnes Arnold übernimmt seine Frau Gräfin Anna von Tecklenburg für ihren Sohn die Regentschaft; Gräfin Anna ist lutherisch. Arnold heiratet 1573 die reformierte Magdalena von Neuenahr und übernimmt 1577 die Herrschaft in Bentheim und Tecklenburg. Spätestens 1576 kann die junge gräfliche Familie als reformiert gelten. Auch an anderen Orten in der Grafschaft Bentheim war die reformierte evangelische Prägung zu erkennen, vor allem in Schüttorf durch den Prediger Heinrich Wullen.

Im Herbst 1587 lädt Graf Arnold II. reformierte Prediger aus der Grafschaft und einige andere nach Tecklenburg ein, um eine neue reformierte Kirchenordnung (nach dem Vorbild der reformierten Kirchenordnung aus Moers / Niederrhein) zu beraten; diese wird beschlossen und 1588 offiziell in Tecklenburg eingeführt, gilt aber auch für die Grafschaft Bentheim. Sie beinhaltet u.a. die Abschaffung der Bilder und Altäre aus den Kirchen, Abschaffung der Nottaufe und Verwendung von Weißbrot statt Oblaten beim Abendmahl. Das Abendmahl wird künftig an Tischen gehalten. In den folgenden Jahren sind die Altäre in den Kirchen nach und nach entfernt worden.

Ab 1588 setzt sich also in der Grafschaft Bentheim ein allmählicher Wechsel von der lutherischen hin zur reformierten Richtung durch. Zum Teil wartet man lange Zeit ab, um die Gemeinden besser auf die Änderungen vorzubereiten; abgeschlossen ist der Konfessionswechsel etwa 1598. Nach dem Tode Arnolds II. 1606 wird dessen Sohn Arnold Jobst Bentheimer Graf. Er führt 1613 den Oberkirchenrat als geistliche Aufsichtsbehörde ein, der ihm direkt unterstellt ist; der Oberkirchenrat besteht aus dem (vorsitzenden) Theologen, einem Juristen und zwei Verwaltungsbeamten. Im gleichen Jahr wird mit den »Zwölf Artikeln« ein eigenes kurzes Bekenntnis der reformierten Bentheimer Kirche erstellt, das knapp die orthodoxe reformierte Lehre zusammenfaßt.

m Jahre 1668 tritt Graf Ernst Wilhelm, Sohn und Nachfolger Arnold Jobsts, zum römischen Katholizismus über; er war immer mehr vom Münsteraner Bischof Bernhard von Galen beeinflußt worden. Daraufhin gerät die Kirche in der Grafschaft in eine schwere Krise, weil heftige gegenreformatorische Bemühungen einsetzen (u.a. Ersetzung des Hofpredigers, Vertreibung von Pastoren, Vorenthaltung von Geldern). Erst aufgrund von Verhandlungen im Zusammenhang mit der Erbfolge nach dem Tode Ernst Wilhelms 1693 kommt es zu einer Revision: 1701 wird die Grafschaft Bentheim wieder reformiert. Der Landesherr Moritz Wilhelm, ein Neffe Ernst Wilhelms, bleibt aber römisch-katholisch, so dass die reformierte Kirche eine römisch-katholische Obrigkeit hat.

Schon 1709 wird eine neue »Bentheimer Kirchenordnung« erlassen (Vorbild ist die Kirchenordnung der Grafschaft Lingen von 1678), die bis ins Jahr 1971 offiziell Bestand hat. In ihr werden Hinweise zur Lehre und zum Leben der Gemeinde beschrieben. Davon haben der vorgeschriebene Hausbesuch zum Teil bis in die Gegenwart und der Katechismusgottesdienst bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein Bestand gehabt. Trotz mancher politischer Veränderungen in der Grafschaft Bentheim lebte die reformierte Kirche in der Grafschaft Bentheim im Innern ungehindert weiter.

Im 19. Jahrhundert entstanden vor allem als Gegenbewegung zur rationalistischen Theologie in der Grafschaft Bentheim eigene freie reformierte Gemeinden (z. B. Uelsen 1838), die sich die »Abgeschiedenen« oder auch »Altreformierte« nannten. Aus ihnen entwickelte sich die EVANGELISCH-ALTREFORMIERTE KIRCHE, die heute vierzehn Kirchengemeinden in der Grafschaft, in Ostfriesland und in Wuppertal umfasst. Die heftigen Spannungen zwischen Reformierten und Altreformierten im 19. Jahrhundert sind inszwischen überwunden. Beide Kirchen leben in engem Kontakt miteinander, regelmäßig werden gemeinsame Synoden abgehalten.